Rueckblick 2010 – Die Kunst der Gemuesezucht (2)

9 Jan

Personal Note: “Hier kommt die vorlauefig letzte Folge meines kleinen, unerfahrenen Gaertnerdaseins im Land der grossen weissen Wolke… –  So stay tuned and have a happy and wonderful day!”   Beate

Nachdem mein urspruenglicher Versuch der Kompostherstellung wegen Verstopfung im mittleren Kammerbereich der China-Tonne fehlgeschlagen war,  wollte ich meine neu gewonnene „Gruene Lebenseinstellung „  noch nicht aufgeben. Eine Freundin wies mich auf den letzten Schrei in Sachen wiederverwertbarer Kuechenabfaelle zur  Rettung der Weltbevoelkerung hin: Das Bokashi-System aus Japan!  Da ich vor vielen Jahren eine Zeit lang fuer SONY gearbeitet habe, weiss ich das Japanische Vorlaeufertum in Sachen technischer Errungenschaften zu schaetzen.  

Bokashi heisst soviel wie „fermentiertes, organisches Allerlei“ und unter diesem Aspekt kann man alle organischen Kuechenabfaelle inklusive Fleisch, Fisch, Fritten und Salatsauce in einem speziellen Behaelter, der aussieht wie zwei ineinander gesteckte eckige Plastikeimer mit Deckel, sammeln. Unter Luftabschluss und wie von Geisterhand verwandeln winzige unsichtbare Mikroorganismen die Essensreste in fruchtbaren Biokompost. Natuerlich muss man die Mikroorganismen in einem Sack, dessen Inhalt aussieht wie Holzspaehne, kaufen,was die Sache zwar oekologisch, aber nicht gerade oekonomisch macht. Immer wenn man eine Lage Ernaehrungsmuell eingefuellt hat, muss man eine Hand voll Mikroorganismen-Spaehne darueber streuen und den Behaelter wieder luftdicht verschliessen. Wenn der Eimer bis oben gefüllt ist, dauert der chemische Vorgang der Vermentung etwa zwei Wochen und unten im Eimer sammelt sich eine Fluessigkeit, die nicht nur als Fluessigduenger sondern auch bestens als Rohrreiniger bei Kanalverstopfung geeignet ist.

Das hoert sich alles toll an, aber in der Praxis stand dieser Eimer in meiner kleinen Kueche staendig im Weg. Und wenn ich ihn im Schrank unter der Spuele deponierte, vergassen wir, ihn zu benutzen. Eines Tages waehrend eines fruehlingshaften Hausputzes stellte ich den fast vollen Eimer voruebergehend unter das Holzdeck unserer Terrasse, wo wir auch das andere Zeug lagern, welches wir zwar nie wieder brauchen, uns aber auch nicht davon trennen koennen. Und dann kam der Winter und ich vergass, dass wir jemals dieses ausgekluegelte Japanische Kompost-System in unserer Familie eingefuehrt hatten.

Und nun, nachdem endlich der Sommer eingekehrt ist,  habe ich den Eimer wieder gefunden und ihn aus Sicherheitsgruenden soweit wie moeglich von Haus, Gemuesegarten und Klettergeruest, ganz hinten am Gartenzaun zu meinen Nachbarn, die uns nie gruessen, gelagert. Schweissgebadet wache ich nachts auf und stelle mir vor, wie die Mikroorganismen sich millionenfach unter monatelangem Luftabschluss vermehrt und eine Art oekologischen Molotovcoctails gebraut haben. Ehrlich gesagt, ich traue mich nicht, den Deckel zu oeffnen! Vielleicht springen die unsichtbaren Organismen in mein Atmungssystem und fressen mich von innen auf, oder der ganze Eimer explodiert bei der Zufuehrung von Sauerstoff und rottet unseren gesamten idyllischen Vorort aus. Vielleicht haben sich die Mikroben auch schon in groessere Lebewesen verwandelt, die krabbeln, schleimen und beissen oder sogar fliegen koennen. Oder ich habe eine ganz neue, voellig unerforschte Art von Lebewesen gezuechtet, die zukuenftig die Menschheit tyranisieren, um die Weltmacht zu ergreifen. Leider war ich in der Schule zwar sehr interessiert, aber nicht besonders gut in Chemie und habe das Fach nach dem ersten Halbjahr im 11. Schuljahr und einer 6 auf dem Zeugnis abgewaehlt. Im 2. Halbjahr habe ich mich der Physik zugewandt, deren Grundlagen und Prinzipien fuer mich besser verstandlich waren, da man sie entweder sehen oder spueren konnte (besonders Schwerkraft und Elektrizitaet!).       

Zurueck zu meiner Karriere als Gaertner:

Wie bereits erwaehnt ist mein Garten nun nicht mehr so durchorganisiert oder Desgin-Preis-verdaechtig schoen, dafuer wachsen dort nun wieder Tomaten, Radieschen, Salat, Petersilie, Schnittlauch, Basilikum und die Zwergbohnen von meinem lieben Nachbarn hinter der Berliner Mauer. Etliche andere Pflanzen, von denen ich nicht mehr weiss was es ist oder ob es vielleicht sogar das wiederkehrende Unkraut ist, wachsen und gedeihen zusammen mit der Erdbeerpflanze fuer meinen lieben Mann. Mein hauseigener Gas-und Wasserinstallateur-Meister-Ehemann hat auch zwischenzeitlich (und mit etwas diplomatischem weiblichen Nachdruck) den Wassertank an die Dachrinne der Garage angeschlossen. Das klingt alles sehr erfolgreich und idyllsich, aber der Schein truegt! Schon habe ich das naechste Problem: Irgendwas oder irgendwer frisst mein Gemuese!

Jeden Morgen, wenn ich in meinen wilden, unorganisierten Gemuesegarten gehe, fehlen ein paar kleine Pflaenzchen oder nur die Stengel der einst gruenen Pracht (besonders Basilikum) sind noch uebrig geblieben. Groessere Pflanzen, wie Tomaten weisen erhebliche Beeintraechtigungen in Form von Loecherm in den Blaettern auf. Erneute Recherche im unendlichen Universum des Internets minimierte die Problem-Optionen auf den Vormarsch von Schnecken, Raupen oder kleinen weissen Fliegen. Um herauszufinden, mit welchem dieser Feinde man es zu tun hat, wird empfohlen, eine naechtliche Spionage-Aktion auszufuehren. Man soll im Dunkeln, bewaffnet mit Taschenlampe und Eimer, durch den Garten schleichen und den Feind sozusagen in Flagranti erwischen und Krieger um Krieger im Eimer einsammeln. Leider konnte ich diese Spionier-Attake wegen ausgepraegter Angst-Phobien und verminderter Sehfaehigkeit im Dunkeln nicht durchfuehren. Mein elfjaehriger Sohn, der gerne Berufsfussballer, Wissenschaflter oder Rockstar (seit der weihnachtlichen Elektrischen Gitarre) werden moechte, haette den  Job gerne uebernommen, ist aber leider fruehzeitig ins Land der Traeume entschwunden,  mit der Taschenlampe fest in seiner Hand und unter der Bettdecke.

Die weiteren internationalen Ausfuehrungen zur Vernichtung von Gartenpest empfiehlt, alle eingesammelten Feinde wie Schnecken und Raupen gleich an Ort und Stelle zu zertrampeln. Diese Endloesung hat mich so angeekelt und kann aus Gruenden meiner atheistischen Weltanschauung und Anti-Gewalt Prinzipien gegen Mensch und Tier ebenfalls nicht erfolgreich durchgefuehrt werden. Wegen der Zielsetzung  des rein organischen Gemueseanbaus  kommt auch die Chemische Keule zur Kriegsfuehrung in meinem Garten nicht in Frage. Und die alte Bauernregel, den Feind mit eienem Koeder aus Bier anzulocken und dann in volltrunkenem Zustand zu vernichten, laesst auch zu wuenschen uebrig. Das Bier wurde zwar gerne genommen, der Feind hat sich jedoch vor Einbruch des Tageslichts zuerueckgezogen, um seinen Rausch in der bisher nicht von mir entdeckten Heimat auszuschlafen.

Da ich von Natur aus diplomatisch und harmoniebeduerftig bin, habe ich beschlossen, dass Mensch und Tier friedvoll nebeneinander existieren sollten und so teile ich meinen Salat, den neuen Basilikum und die Tomatenblaetter nicht nur mit meiner vor Gesundheit trotzenden Familie, sondern auch noch mit kleinen, unsichtbaren, mir immer noch unbekannten Mitbewohnern, und hoffe, dass das natuerliche Oekosystem in meinem Gemuesegarten langfristig funktioniert und die Ernte in einer „gewissen Gerechtigkeit von Oben“ verteilt wird…

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