Tag Archives: Ende der Welt

8.) Waidmannsheil!

25 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – Neuseeland  18. November 1999

Man glaubt es kaum, die Sonne scheint schon seit zwei Tagen!

Heute nachmittag hatte mein Super-Plumber sein erstes Bewerbungsgespraech in Auckland. Der Chef gab ihm gleich einen Arbeitsvertrag mit, bot  ihm ein Firmenfahrzeug  (was mir sehr gelegen kommt,  um meine Karriere als Geisterfahrer auszuarbeiten) und einen Satz Werkzeug an (bis unseres von den sieben Weltmeeren einlaeuft). Bernd  koennte schon Ende naechster Woche anfangen. Moechte mal gerne wissen was mein lieber Badezimmer-Experte dem Chef in broken English alles erzaehlt hat.  Entweder war er sehr ueberzeugend oder es herrscht absoluter Plumber-Mangel! Der Job besteht daraus, Rohre in Neubauten einzuziehen (mein Mann kann prima mit Rohrleitungen umgehen…) und $17 pro Stunde ist besser als nichts. Die Arbeit ist nur 24 km entfernt  und der liebe Mann sieht mal was anderes.  Beim Verlassen des Bueros hat mein Mann zur Verwunderung seines zukuenftigen Chefs noch verlauten lassen, dass er  auch umsonst gearbeitet haette, wenn noetig. Desperate house-man!  Und so macht man auch keine Freunde in der Gewerkschaft (falls es das hier gibt). Aber, wenn er dann endlich arbeitet,  haben  Henry und ich das Haus fuer uns oder wir koennen mal in Ruhe mit dem Auto auf Entdeckungsreise fahren.  Der einzige Haken ist, dass Bernd sich laut Arbeitsvertrag fuer mindestens zwei Jahre nicht selbstaendig machen darf.  Der Passus muss noch gestrichen werden (?!?) und dann kann es losgehen.  Er hat hoffentlich nicht von seinen Spionier-Absichten erzaehlt. Eine weitere Firma hat ihm heute ein Vorstellungsgespraech angeboten (muss doch Plumber-Mangel sein – vielleicht sollte ich auch umschulen). Nachher reissen sich noch  alle um meinen lieben, Deutschen Gas- und Wasserinstallateurmeister-Goettergatten.

Jetzt  wird es auch dringend noetig, dass Bernd eine sinnvolle Beschaeftigung findet, da er (neben Feuer machen) ein neues Hobby entwickelt hat: seine liebe Frau erschrecken. Zu allen Tages- und Nachtzeiten schleicht er durchs Haus und ploetzlich steht er hinter mir und spricht mich an. Du liebe Guete! Mein Puls geht auf 180, mein Blutadern machen Spruenge und ich muss eine Viertelstunde sitzen und tief durchatmen, um mein rasendes Herz zu beruhigen. Meistens bin ich von tiefen Gedanken umzingelt, kommuniziere mit meinem heissgeliebten Baby Henry, beobachte den Rasenmaehermann von der Terrasse aus (Research!) oder meine Sehfaehigkeit ist von einer Dunstwolke in der Kueche eingeschraenkt,  wenn ploetzlich und unerwartet die Stimme meines Mannes aus dem Hinterhalt zuschlaegt und ich vor Schreck einen 80cm-Satz entgegen jeglicher Erdanziehungskraft mache.  Wenn das nicht langfristig zu einem echten Herzinfarakt fuehrt, weiss ich es auch nicht.  Der Mann braucht dringend einen Job!  Er bezeichnet meine Schreckhaftigkeit als „schlechtes Gewissen“!?!

Auch meine teuflische Waschmaschine ist wieder sehr gemein zu mir. Ist mir schon fast peinlich, wieder dieses Thema anzuschneiden. Es artet langsam in einen persoenlichen Krieg aus. Die Waschmachine oder ich! Jetzt, wo ich ihr ausgekochtes Styropor-Geheimnis gelueftet habe, denkt sie sich neue Gemeinheiten aus.  Heute stand Weisswaesche auf dem Programm. Draussen strahlte die Sonne , der Waeschestaender stand in luesterner Erwartung auf der Terasse parat und ich wollte gerade die Treppe hinunter laufen und die turbogeschleuderte  Waesche aus der Maschine erloesen, als mir auf dem Weg schon die erste Flutwelle entgegen kam.  Nein, nicht der Rest der Sintflut hat sich ausgebreitet, sondern die biestige Waschmachine hat mir wieder ein Schnippchen geschlagen. Ihr Abwasserschlauch ist ueber einem eigens dafuer installierten Aluwaschbecken neben der Hoellenmaschine im gigantischen Wandschrank befestigt, damit das Wasser wunderbar im Abfluss davon gurgeln kann. Vorausgesetzt natuerlich, dass nicht zufaellig jemand den grossen blauen Schwamm zum Autoputzen nutzt (um Langeweile-Attacken sinnvoll zu ueberbruecken) und ihn dann achtlos im Waschbecken liegen laesst. Dieses gemeingefaehrliche Zivilisationsobjekt  aus China hat sich offenbar am Abluss festgesaugt  und verweigerte dem Waschwasser jeden Abgang. Habe sofort meinen privaten Hausplumber zur Hilfe gerufen, der gleichzeitig auch der Ausloeser der Katastrophe war (sorry Waschmaschine!), und mit dem neuen atomgetriebenen Duesenturbo-Nass-Trocken-Saeugetier aus dem Baumarkt haben wir alles wieder aufgesaugt. Die Investition hat sich schon gelohnt. Das nennt man Vorsehung!  Wenn alles trocken ist, spruehe ich was von dem Anti-Geruchs-Spray  auf den Teppich und alles ist wie neu. Ich hoffe nur, dass mein lieber Mann das ganze nicht inszeniert hat, damit er nochmal eine echte Aufgabe hat.  Mann ohne Arbeit – taugt nix!

Unsere Abende am Ende der Welt sehen so aus:  Sobald sich little Henry gegen 21.30 Uhr (Nachtmensch wie sein Papa) ausgetobt hat, schlaeft er auf dem Sofa ein. Ihn in sein Bettchen zu legen, waere Quaelerei, denn im Untergeschoss des Hauses ist es nachts viel zu kalt. Und wir sind bestimmt nicht verwoehnt (?!?) Nur, seit mein Mann jeden Abend seinen geliebten Hochofen anstocht, koennte der Klima-Unterschied zwischen Erdgeschoss und Untergeschoss nicht extremer sein. Und Klein-Henry hat das auch schon gemerkt.  Sobald man ihn auf Zehenspitzen schleichend nach unten tragen will, wacht er auf und schreit aus voller Kehle. Unten muss er mit Muetze, Schal, Ohrenschuetzern, Handschuhen und Moonboots im Bett liegen, hier oben reissen wir uns vor Hitze die Kleider vom Leib.  Der Kleine muss sich ja vorkommen wie ein Haechnchen aus dem Wienerwald.  Erst gebraten, dann eingefroren, morgens wieder aufgetaut und abends wieder gebraten…. 

Vielleicht ist Henry ein Kanibalen Baby. Es ist richtig unheimlich. Bei jeder Gelegenheit  schnappt er sich meinen Daumen, meine Hand oder Teile vom Arm und beisst mit Voller Kraft hinein. Wenn er merkt, dass er kein Stueck Fleisch abbeissen kann, wird er richtig aggressiv. Ist das normal? Er beisst und reisst an meinen Organen wie ein ausgehungerter Haifisch. Gott sei Dank hat er noch keine Zaehne! Wenn er erstmal laufen kann, faellt er wahrscheinlich alle Katzen und Hunde in der Gegend an und versucht, sich Stuecke rauszubeissen. Das kann ja heiter werden.  Bis dahin muss ich mehr Englisch lernen, um meine Nachbarin zu warnen. 

Wenn Bernd abends zwischen Nix-Versteh-TV Sendungen und dem Nachwerfen von Feuerholz die Gelegenheit nutzt, vor der Haustuere (und zur weiteren wortlosen Voelkerverstaendigung mit meiner Nachbarin hinter der Gardine) ein Zigarettchen zu rauchen,  nutzt meistens ein dicker, fetter Brummer den offenen Spalt an der Tuere, um sich in unserer Sauna ein wenig aufzuwaermen.  Dann tritt der wahre Ur-instinkt meines Mannes  ein (er: Jaeger – ich: Sammler) und der kleine Feuerteufel geht auf die Pirsch. Mit meinem frisch gewaschenen, gebuegelten (zu viel Zeit…) und abgezaehlten Geschirrtuch versucht er, die dicke Hummel zu erlegen. Bewaffnet bis zu den Zaehnen springt der Jaegersmann ueber Tisch und Stuhl, Sofa und Sessel, doch der fliegende Sumu-Ringer ist immer ein Ideechen schneller. Mal sitzt er auf Henrys Nasenspitze , mal auf der rosa-farbenen Gardienenstange, dann auf dem goldenen Wandteller von Vermieterin‘s Urgrossmutter. Bernd rast hinterher, zielt und donnert auf das fliegende Ungetuem, ich spurte hinterher, schnappe im freien Fall nach Omas Wandteller und haenge ihn wieder an den Nagel, bevor ich weiteren Krimas Krams vor der Zerstoerung retten muss. Das fliegende Monster scheint sich jedoch zu amusieren und bringt meinen Mann noch mehr in Rage bis der Flugsaurier letztendlich zerquetscht an meinem dampfgebuegelten Kuechentuch klebt. Endlich hat die liebe Seele Ruh, blaest zum grossen Hallali und goennt sich zur Belohnung ein Zigarettchen vor der Haustuere. Dann geht die ganze Treibjagd von vorne los … bis die gesamte Brummerfamilie ausgerottet oder mein Beschuetzungsinstinkt gesteuerter Super-Mann endlich morgens gegen 2.30 Uhr muede ist.

Waidmannsheil und gute Nacht vom Jaegerbattallionstrupp in Neuseeland.   

Fortsetzung folgt…

(c) Beate Minderjahn

7.) Endlich Sonne und Rotwein im Karton!

18 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – Neuseeland  16. November 1999

Endlich ist die Sonne rausgekommen, hat die Ueberflutung gestoppt, und meine Arche ist wieder auf festen Grund aufgelaufen.  Jetzt muessen wir uns  gut eincremen, da man sonst dank der internationalen Industrialisierung und der  verduennten Ozonschicht einen Sonnenbrand bekommt  und  bereits am ersten Tag einem  alten Brathaehnchen aehnelt. Meinen lieben Mann hindert der positive Wetterumschwung allerdings nicht daran, weiterhin jeden Abend Feuer im Ofen zu machen, als waeren wir im Winterurlaub in einer Canadischen Holzhuette.  (Vielleicht schicke ich ihn mal auf die Baerenjagd!)

Zum Glueck hat der kleine Feuerteufel morgen sein erstes Bewerbungsgespraech bei einer Installationsfirma in Auckland, die bald eine Grossbaustelle in unserer Naehe startet.  Hoffe sehr, dass er den Job bekommt. Man hat ihn schon nach seinem Werkzeug gefragt, das immer noch im Container ueber die Meere schippert. Hier muss jeder Handwerker sein eigenes Werkzeug mitbringen. Das finde ich sehr gut und man koennte das in Deutschland auch einfuehren. Dann wuerde bei den Unternehmern nicht so viel Werkzeug verschwinden und es wuerde von den Angestellten sicherlich besser gepflegt.

Als ich little Henry heute nachmittag auf den blanken Bauch gepustet habe, hat er tierisch gelacht und sich vor Freude mit der kleinen Faust meine Haare geschnappt und daran gerissen. Dann hat er noch mehr gelacht, weil ich vor Ueberraschung und Schmerz geschrien habe, er solle sie wieder los lassen. Henry, jetzt schon vier Monate alt, dachte im Traum nicht daran, diese Trophaee wieder freizugeben. Im Gegenteil, er schleuderte meinen Kopf, der immer noch an besagtem Haarbueschel hing, hin und her und fand das noch viel lustiger. Das ist ein ganz schoener,  kleiner,  hinterlistiger Schlawiener.  Von wem hat er das?

Endlich habe ich auch eine Methode gefunden, wie ich Henry beruhigen kann, wenn wir am Strand Treibholz und Muscheln sammeln und er keine Lust mehr hat. Wenn er anfaengt zu schreien, drohe ich ihm damit, dass wir wieder nach Deutschland ziehen, dann schaut er mich mit grossen Kulleraugen an  und hoert auf zu schreien.  Habe ihm auf einem Markt fuer einen  kleinen Sonnenschirm fuer den Kinderwagen gekauft. Davon ist er ganz fasziniert, vor allem, wenn ich daran die Gummi-Hosentraeger befestige, die wir zum Abschied aus Deutschland von Freunden geschenkt bekamen. An die zwei freien  Hosentraegerklipse klemme ich dann seine hoelzernen Spielringe, den Beissring  und die Kuscheltiere.  Jedes mal wenn er daran zieht ,  flitschen sie wieder weg und dann wird Henry total wild. Er schimpft ganz boese und schreit das Spielzeug an und dann ruft er seine eisernen Gesellen „Nene“ und „NaengNaeng“ zur Hilfe.

Im Supermarkt gibt es eine ganze Palette von Lebensmittelfarben  (fast wie im Baumarkt). Deshalb sind die Kuchen und Toertchen hier auch so schoen bunt und abwechslungsreich. Kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es gesund ist.  Und dann der Wein. Den kann man ausser in Flaschen auch im rechteckigen 3-Liter Paket kaufen.  Das ist ein Pappkarton, in dem sich eine Plastikfolie mit 3 Litern Wein befindet. Unten am Karton kann man eine paerforierte Lasche eindruecken und dann kommt ein Kunstoff-Patentverschluss zum Vorschein wie an einem deutschen Bierfaesschen. Wenn man dieses Patent-Oeffnungssystem einmal verstanden hat, braucht man nur noch den Karton an die Tischkante zu stellen und kann dann Glas fuer Glas aus dem Karton zapfen. Und wenn man das Paket ausgesoffen hat und nicht mehr weiss, was man macht und wer man ueberhaupt ist, legt man den leeren Karton auf den Boden und versetzt ihm einen ordentlichen Tritt zur Terrassentuere hinaus (falls die gerade offen ist – wenn nicht, ist es nach 3 Litern Rotwein auch egal!) Dann holt man sich aus der gefraessigen , ueberdimensionalen Abstellkammer das naechste Patent-Paket. Das ist aus mehreren Gruenden eine phantastische Erfindung. Erstens lassen sich Pakete viel oekonomischer in der Abstellkammer stapeln als die viel zu kleinen empfindlichen Glasflaschen von Rhein und Ruhr, die man dann auch noch (zur Vermeidung von Diskriminierung durch die neugierige Nachbarschaft am besten bei Nacht und Nebel und verkleidet) zum Flaschencontainer schleppen muss.  Wenn man seinen Rausch ausgeschlafen hat, sammelt man einfach die Kartons von der Terrasse und im Garten wieder ein, vergraebt die leeren und geschrumpften Plastiktueten im Plastikmuell und versteckt den auseinandergeklappten Karton zwischen den alten Zeitungen im Papiermuell.  Falls die Abstellkammer fuer den Vorrat (man weiss ja nie wenn mal eine Hungersnot oder Katastrophe ausbricht) zu klein ist, koennte man mit den vollen Kartons Zwischenwaende einziehen, den Garten ummauern oder eine Garage anbauen. Und das Schoenste ist, man hat immer was zu trinken und Rotweinsauce bis zum seeligen Ende.   

Bier kann man hier uebrigens als Pulver kaufen und man ruehrt es einfach in Leitungswasser. Bernd hat es wegen moeglicher Bazillen und anderer Krankheitserreger noch nicht probiert,  aber eines Tages werden wir auch das System erforschen.  Ich nehme an, es zischt und sprudelt wie in einer Hexenkueche beim Ruehren.

Wenn man einkauft, kann man eine Art Scheckkarte beantragen, auf der man Punkte sammelt und wenn man genug davon hat, kann man sich ein Kuechengeraet, eine „filterlose“ Kaffemachine,  die turbogesteuerten Heisslockenwickler, eine Flugreise nach Sibirien oder den Hotelaufenthalt im Transylvanischen Gebirgsplateau aussuchen.  Bei dem Verhaeltnis zwischen Einkaufssumme und der Belohnung mit Punkten kann es nur etwa 726 Jahre dauern, bis wir die Busreise nach Hamilton „verdient“ haben .  Wir koennen ja schon mal hinter der biestigen Waschmaschine, den gestapelten Weinkartons und der verrosteten Angelausruestung im gigantischen Wandschrank  nach unserem Koffer suchen …

Fortsetzung folgt…

(c) Beate Minderjahn

4.) Arche Noah!

11 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – 10. November 1999

Unser kleines Cottage-Haus kommt mir  vor wie ein alter Kahn, der durch die Sintflut schippert.  Die Arche Noah waere jetzt praktisch, allerdings muesste sie nicht nur von aussen sondern auch von innen wasserdicht sein. Draussen regnet es in Stroemen und es scheint, als ginge die Welt nun tatsaechlich unter. Man muesste den letzten Dinosauerier aus der Garage ins Boot retten, um  wenigstens eine  sinnvolle Tierart (neben Kakalacken,  Stechmuecken und der gemeinen Hausfliege) vor der Ausrottung  zu retten.  Das Wasser im Haus kommt allerdings von Henry, der zur Zeit so viel  sabbert, dass meine naechste Investition aus Taucherbrille und Schnorchel besteht. Ich hoffe sehr, dass er das vor seinem 18. Geburtstag aufgibt, sonst kriegt er nie eine Freundin. Welches Maedel moechte schon einen Freund, dem staendig das Wasser im Munde zusammenlaeuft und noch aus dem Mund raustropft und manchmal sogar noch Faeden zieht. Gefaehrlich wird es dann, wenn er dabei ploetzlich noch niessen muss und sich sein Sabber explosionsartig im ganzen Zimmer und meinem Gesicht  verteilt. Das ist ja gar nichts fuer meinen Bakterien-Phobie gequaelten Plumbing-Mann. Hier ist nichts vor Feuchtigkeit sicher und das Schreibpapier im Drucker hat sich schon gewellt.

Henry hat gerade sein letztes Flaeschchen fuer heute getrunken und nun jammert er schon wieder, weil er auf dem Sofa liegen soll. Er will lieber im Sitzen Fernseh schauen.  Der staendige Regen geht im vermutlich auch auf die Nerven und wir konnten heute weder Treibholz am Strand suchen, noch irgendwelche anderen Entdeckungsreisen vornehmen.  Seit ein paar Tagen versuche ich, Henry an feste Nahrung zu gewoehnen. Er sitzt dann aufrecht im Kinderwagen und ich schiebe ihm vorsichtig einen Plastikloeffel mit Baby-Apfelmus in den Mund. Im ersten Moment dachte er sicher an seine Bauchwehmedizin, die ich ihm schon mal auf diese Weise geben musste.  Er verzog das Gesicht zu einer unheimlichen Grimasse, dann standen ihm die Augen 10cm vor dem Kopf und schnurstracks schob er den teuren Kompott mit seiner sabbrigen Zunge wieder nach draussen.  Wird Zeit, dass er Zaehne kriegt, die den Rueckweg blockieren. Anschliessend lachte er sich kaputt und ich versuchte den Apfel-Kram rechtzeitig mit dem Loeffel  von seinem Kinn abzukratzen, bevor es auf dem monstergewaschenen und turbogeschleuderten Hemdchen landet, von denen wir mindestens 6-8 am Tag brauchen. Waehrend Henry erfolgreich gegen mich arbeitet und  wir offensichtlich  voellig verschiedene Ziele vor dem geistigen Auge haben ,  verteilen wir mit vereinten Kraeften den Obstbrei In Henrys Gesicht inklusive aller Nasenloecher.  Henry findet das total lustig und ab und zu saugt er den Apfelmuss tief in die Lunge ein.  Papa und Mama finden das nicht so lustig und versuchen ihm durch schmatzende Geraeusche und improvisierte Handbewegungen beizubringen, wo der Brei  hin soll. Da er lacht und quiekt wie ein kleines Ferkelchen  denkt er sicher, das ist eine neue Show, um ihn zu unterhalten.  Ein Kind braucht schliesslich geistigen in-put und Abwechslung!

Mein lieber Plumber-Gatte Bernd hat den ganzen   Nachmittag damit verbracht, Bewerbungen und Lebenslaeufe zu schreiben,  was natuerlich nicht so einfach ist in einer Sprache, die man weder beherrscht noch versteht. So hat er seine Qualifikationen  fein saeuberlich , phantasievoll, aber bestimmt ins Englische uebersetzt, waehrend ich aus meiner Nusskollektion aus dem Supermarkt kleine Weihnachtsengelchen gebastelt habe.   Wenigstens hat Henry sich sehr fuer die Nuesse interessiert und sich mit mir gefreut, wenn wieder ein kleines Engelchen geboren war und am Wandhaken zum Trocknen aufgehaengt wurde.

Bernd schrieb und schrieb und hatte durueber um ein Haar vergessen, dass er Kaffee- und Zigarettensuechtig ist. Ich vermutete schon, dass er an seinen Memoiren arbeitet, anstatt eine Bewerbung zu schreiben.  Bis zum Abendessen hat er mit stolz geschwellter Brust zwei Seiten ausgedruckt, die ich dann begutachten sollte. Nach dem Abendessen haben Henry und ich uns also drangesetzt, und pingelig wie wir eben sind, jeden Satz markiert und verbessert.  Daraufhin fuehlte sich mein Master-Plumber in seiner Ehre gekraenkt und das Ganze ist dann in eine groessere Diskussion ausgeartet, an der sich Sabber-Henry mit Begeisterung beteiligt hat.  Wiederum fand Henry das alles sehr lustig und seine Eltern nicht! Nach einer Weile entschied  sich Henry, doch lieber Fernseh zu schauen und sich seine Eltern alleine streiten zu lassen.  Eine halbe Stunde und zwei rauschende Koepfe spaeter, qualmte der Computer und das zerfledderte Woerterbuch sah aus, als waere es 100 Jahre alt.  Endlich hatten wir zwei Seiten ausgedruckt, aus denen man hoffentlich erahnen kann, dass mein Mann eine Stelle als Plumber sucht. Ich haette nicht gedacht, dass es so schwierig ist. Jedesmal wenn wir eine tolle Formulierung in Deutsch gefunden haben, fehlte uns ein wichtiges englisches Wort, das man allerdings mit einem anderen Wort umschreiben koennte, welches wiederum –falls man es im Duden findet-, siebenunddreissig verschiedene Bedeutungen  hat.  Und so verging Stunde um Stunde und die Rente (schoen waers!) rueckte immer naeher, der Bart wurde immer laenger und der Regen draussen ueberflutete die gesamte Insel ….

Na ja, nur der Erfolg zaehlt und in 124 Jahre lachen wir drueber (ohne Haare und ohne Zaehne – wie Henry).

Im Fernsehen wird gerade eine Dokumentation ueber einen Schiffsuntergang (wie passend!) gezeigt. In diesem  Moment werden die Passagiere in die Rettungsboote gezerrt. Och, gerade ist ein Arm abgefallen, …. wird wieder ueber bord geschmissen,…. Arme ohne was dran koennen sie nicht brauchen…   Bei mir schwimmen gerade die Fische an der Terrassentuer vorbei. Da lacht ein Hammerhai, ein Stueck weiter saegt ein Saegefisch (den kann ich gut fuer meine Bastelarbeiten brauchen). Ich glaube, ich geh schon mal tief im unendelichen Wandschrank nach den aufblasbaren Schwimmfluegelchen suchen. … Laueft eigentlich bei diesem Hochwasser noch die Klospuelung im Untergeschoss ab oder muss ich da mit Gegenverkehr von Octopus-Saugnaepfen rechnen? Wird ja wohl nicht wahr sein……

Fortsetzung folgt…

Beate Minderjahn

3.) Waschmaschinen!

11 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – 8. November 1999

Am Wochenende haben wir ein Deutsches Ehepaar kennengelernt, das schon seit 15 Jahren in Neuseeland lebt und urspruenglich aus Berlin kommt.  Karl ist, wie mein lieber Mann Bernd, ebenfalls Plumber und Marianne, seine Frau  hat einen kleinen Geschenkartikelshop im Nachbarort.  Ein Plumber ist in Deutschland ein Installateur (Maennchen) oder Installateuse (Weibchen)  und dabei  handelt es sich um eine besondere Spezies, die sich in heimischen Gefilden ausbreitet und vermehrt.   Jedenfalls, haben sich die beiden Plumber auf Anhieb gut verstanden und Karl hat uns viele Tips und Einblicke in Neuseelaendische Sitten und Gebraeuche gegeben,  von denen er  selbst nach 15 Jahren manche nicht verstehen kann. Und mein lieber Mann hat nach 3 Wochen auch schon genug vom Pionier- und Abenteuerleben, von Haushalt, Kleinkind und Feuerholz suchen,  und er kann es nicht erwarten sich irgendwo zu bewerben und einen Job zu finden. Dann kann er sich nach kurzer Eingewoehnungs- und Spionierzeit selbstaendig machen.  Schliesslich ist er ja Master-Plumber und auf Badezimmerdesign spezialisiert.  

Jeden Morgen  wenn ich mit dem Kinderwagen zum Beach gehe, dauert es ungefaehr 20 Minuten, bis ich die Hauptstrasse ueberqueren kann.  Wenn diese sehr stark befahrene Strasse (die einzige, die nach Norden fuehrt) mich nicht vom Meer trennen wuerde, waere der Gang vom Haus bis zum Beach etwa 2 Minuten lang, so dauert es ca. 22 Minuten.  Hatte mir ueberlegt, ob ich mir einen Dinosaurier anschaffe. Der koennte hier auf meiner Strassenseite seinen langen Hals ausstrecken und ich koennte Henry im Kinderwagen auf die andere Strassenseite rutschen lassen, ohne ueberfahren zu werden. Abends koennte der Dino zusammen mit Bernds hochpoliertem Station Wagon (Nissan Kombi) in der Garage schlafen (wir muessten vielleicht ein paar Meter anbauen und das Dach erhoehen (wiederum zur allgemeinen Belustigung meiner Nachbarin hinter der Gardine). Im Garten haette der Dino genug Auslauf und wenn er Wasser lassen muss, wuerde die gesamte Gruen- und Gartenanlage von Orewa bewaessert. Der Ueberfluss wuerde ins Meer fliessen und in Indonesien wuerde die Kueste ueberschwemmt. Vielleicht fressen Dinosauerier ja auch Seetang.  Davon liegt naemlich nach der letzten stuermischen Nacht so viel am Beach, dass man damit locker einen Dinosaurier fuer 2 Wochen ernaehren kann.  Ich liebe den Geruch von Seetang, das erinnert mich and den Duft von Fischermaennern und das Buch „Salz auf unserer Haut“.

Gestern abend habe ich Henry aufs Bett gelegt und  seine Hose ausgezogen, um ihm die Windel zu erneuern. Irgendwie mochte er das,  und als ich mit der Linken seine Beine hochhielt und mit der Rechten die gelbe klebrige Kacke vom Popo wischte (natuerlich mit einem Lappen!), da lachte und quietschte er vergnuegt. Und erst als er so laut schmatzte stellte ich fest, dass er durch die Heb- und Teilaktion seiner Beinchen, sich selbst genau in den Mund gepinkelt und sozusagen Zielwasser getrunken hat. Er hat sich dann aber gewundert, wo die leckere Erfrischung herkommt. Na ja, soll ja sowieso heilende Wirkung haben und manche trinken es zum Fruehstueck, Henry eben erst zum Abendessen.  Mahlzeit!

Der Mond geht hier falsch herum auf, die alte Schulregel mit a und z kann man hier also nur umgekehrt anwenden. Auch das Wasser  laeuft in der Badewanne anders herum ab.  Hier ist ja vieles anderes, muss an der Erdanziehungskraft liegen…

Waschmaschine Teil II:

Laut Euro-Plumbers wife Marianne kommen die weissen Fusseln auf meiner dunklen Waesche aus dem Fusselsieb, das man von Zeit zu Zeit rausnehmen und saeubern muss. Also bin ich sofort vor meiner naechsten Waschaktion um die Maschine gekrochen und habe das Fusselsieb gesucht.  Nicht gefunden. Morgen werde ich die Maschine aus ihrer Verankerung  reissen, aus dem begehbaren Wandschrank heben und von allen Seiten untersuchen. Irgendwo muss das Ding doch sein. Ich glaube, die Neuseelaender haben eine spezielle Vorliebe fuer begehbare Einbauschraenke, in denen man alles verstecken kann, wie Waschmaschinen, Trockner,  Autoersatzteile, Schuhe, Kleider, Koffer, Kinderwagen, gerauecherte Salami und einen aufblasbaren Swimmingpool.

Waschmaschine Teil III:

Noch interessanter ist, dass ein grosser Styroporklumpen, der im Wandschrank liegt, das Geheimnis zur Loesung meines Waschproblems Nr. 3  ist. Beim Schleudern sprang immer oben der Deckel auf und die Maschine stellte sich dann automatisch ab. Die Logik konnte ich mir von Anfang an nicht erklaeren, aber man ist als Auswanderer ja offen fuer neue technische Errungenschaften, auch wenn man sie nicht versteht.  Dank Euro-Plumbers wife Mariannne (wir Pionierfrauen muessen zusammen halten in diesen rauhen Zeiten) weiss ich jetzt,   dass dieser speziell geformte Styroporklotz vor dem  Start auf den pin des Rohres, das den Weichspueler behinhaltet, gesteckt wird, dann wird der Waschmashinendeckel geschlossen und mit dieser ausgefeilten Technik  verhindert man praktisch, dass die Waesche sich selbst nach oben schleudert und wie von Geisterhand den Deckel oeffnet, woraufhin sich dann die Maschine aus Sicherheitsgruenden selbst abstellt.  Wenn man das System noch etwas weiter durchdacht haette, koennte sich die Waesche selbst rausschleudern, sich im benachtbarten Trockner plazieren, dessen Stromzufuhr sich dann von selbst anstellt und wenn alles trocken ist, schleudert sich die Waesche selbst in den Waeschekorb, der ferngesteuert die Waesche zum Buegelbrett faehrt.  Aber wie ich schon seit langem  festgestellt habe, sind nicht alle Haushaltsgeraete so im Detail durchdacht, dass sie wirklich eine Arbeitserleichterung fuer die  gemeine Hausfrau darstellen. Im Gegenteil. Je mehr Maschinen man besitzt, um wo mehr muss man arbeiten und organisieren, damit sie ihren urspruenglichen Zweck erfuellen.  Aber was verstehe ich als sensor-gesteuerte Waschmaschinen verwoehnte Karrierefrau aus einem gut organsierten Europaeischen Industriestaat schon von traditioneller auslaendischer Wasch-Technologie? Ich dachte, der Styroporklotz waere noch ein Stueck von der Originalverpackung (von vor 25 Jahren), welches  die sorgsame neuseelaendische Hausfrau und Hauseigentuemerin  verwahrt hat.

Fortsetzung folgt…

Beate Minderjahn

2.) Hauswirtschaft!

11 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – 6. November 1999

Das Waschen mit der Waschmaschine entpuppt sich in Neuseeland auch eher als Abenteuer.  Man oeffnet den oberen Deckel der Maschine, wirft zuerst das Waschpulver und dann die Waesche von oben in die Trommel, dann schuettet man den Weichspueler in eine Plastikroehre  in der Mitte, macht den Deckel wieder zu und waehlt zwischen kalt, warm, heiss, Wasserstand niedrig, mittel oder hoch und Normal oder Wolle. Die Maschine donnert los und nach einer halben Stunde ist alles fertig.  Und so sieht auch die Waesche aus!  Meine erste Heisswaesche hat saemtliche Sweatshirts von Bernd pink gefaerbt (nicht gerade seine Lieblingsfarbe), meine erste Warmwaesche hat alle dunklen Kleidungsstuecke mit weissen Fusseln  ueberzogen (Nein- es war kein Papiertaschentuch in der Hosentasche!) und heute versuche ich es mal mit der oekologischen Kaltwaesche. Wenn das nicht funktioniert, kann ich immer noch die Waesche in der guten alten Pionierfrau-Methode  im Fluss waschen, in der Hoffnung, dass sich kein Hammerhai in Bernds Unterwaesche festbeisst und spaeter in seiner professionell beschrifteten deutschen Werkzeugkiste landet.

Ich kann es nicht erwarten bis meine gute deutsche voll elektronisch gesteuerte Marken-Waschmaschine im Container ankommt. Ich hatte sie schon fuer 50,-DM (ja, die gute alte DM!) verkauft und dann im letzten Moment, als noch Platz im Container war, behalten (lass doch den Kaeufer denken, was ich fuer ein hinterlistiges, ausgekochtes, geldgieriges Biest bin  – ist mir egal, bin ja weit weg!) Diese Beschwerden muss sich jetzt meine Schwester anhoeren, da es ihre Freundin war, der ich die Maschine verkauft hatte.  Und meiner Schwester habe ich auch die Couchgarnitur wieder abgenommen, die ich ihr so ueberschwenglich geschenkt hatte, weil ich dachte, wir haben zu wenig Platz im Container.  Waschmaschine und Couchgarniture segeln wahrscheinlich gerade bei Windstaerke 12 um Cap Horn. Da faellt mir  dieses romantische Seefahrerlied wieder ein, dass mein Vater in den 70-er Jahren gerne Sonntagsmorgens um 6.00 Uhr vom  Plattenspieler droehnen liess, waehrend er sich in der Kueche Bratkartoffeln und geraeucherte Makrele zum Fruehstueck machte. „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord, in den Faessern da faulte das Wasser und taeglich ging einer ueber Bord….“

Immerhin habe ich in meinem Hausfrauen-Pionier-Dasein zur Zeit keine Probleme mit Spuelmaschine, Trockner und Buegeleisen.  Auch der Toaster, die Kaffeemaschine, das Kuechenradio, die Klospuelung und die elektrische Knochenzerkleinerungszentrifuge im Kuechenabfluss (nennt man hier: In-Sink-Erator),  die einen Hoellenlaerm macht,  funktioniert einwandfrei.  Da soll noch einer sagen wir waeren hier am A…., sorry Ende der Welt. Cola schmeckt wie Cola, Mc Donalds wie Mc Donalds und gestern bin ich mit dem neuen, „alten“ Auto zum ersten mal auf der linken Strassenseite gefahren. Und das ist auch ein Erlebnis! Habe dreimal den Buergersteig gerammt, ein Vekehrsschild und eine Katze umgefahren (sie hat ueberlebt und sitzt nun im Rollstuhl), ihr Schwanz haengt allerdings  noch an der Stosstange und meine Nachbarin hat ganz schnell die Muelltonne und ihre sieben Kinder von der Strasse geholt und in der Garage versteckt. Sonst hat alles wunderbar geklappt, auch wenn man staendig vom Schuldgefuehl eines Geisterfahrers beherrscht wird. Ich weiss nur nicht, warum Bernd und Henry nicht mehr mit mir fahren wollen. Versteh ich nicht….

Das Holz fuer unseren offenen Kamin gehe ich jetzt immer morgens mit Henry im Kinderwagen am Strand sammeln. Dort wird jede Nacht neues Treibholz angeschwemmt und ich stapele es mit den Muscheln und anderen Fundsachen unten im Kinderwagen und bringe es  unter dem pruefenden Blick meiner hinter der Gardine versteckten Nachbarin nach Hause. Habe noch nicht herausgefunden, wo man sonst das Feuerholz herholt. Vielleicht muss Bernd mal bei Nacht und Nebel in den Wald fahren und das Holz selber hacken…

Heute nachmittag war ich mit Henry und Kinderwagen in Orewa (dem winzigen Zentrum unserer neuen Heimat), und  in einem kleinen Cafe haben wir eine Pause eingelegt.  Die Neuseelaender sind ja wirklich klever und erfinderisch. Man kann sich gar nicht vorstellen, was die alles auf ein Sandwich legen. Mich wuerde es nicht wundern, wenn da neben Spaghetti  und  mit Kaese ueberbackenen  Bohnen, auch noch Hund, Katze, Maus, Igel, Pinguin, Opossum, alte Autoreifen, leere Druckerpatronen, gebrauchtes Klebeband und abgeschnittene Grashalme drauf liegen. Und die Bedienung im Cafe – immer freundlich, geduldig und hilfsbereit.  Allerdings schliessen die Cafes hier in Orewa um 15.30Uhr – sehr merkwuerdig!

Fortsetzung folgt…

Beate Minderjahn

1.) Endlich am Meer!

11 Aug

Unser neues Leben am Ende der Welt – 4. November 1999

Es geht uns wunderbar und nach zwei Wochen es ist immer noch wie ein Traum, endlich in Neuseeland zu leben.  Es fuehlt sich an wie ein Abenteuer , ein bisschen gestrandet auf einer „einsamen Insel“.  Alles ist neu, vieles unverstaendlich oder unlogisch (vermutlich nur unlogisch fuer uns Auslaender) und man muss  einfach offen sein fuer andere Sitten , Gebraeuche und Denkweisen. Obwohl  wir  dachten, unser Englisch waere nach so vielen Jahren Schulenglisch ganz gut und nach einem fuer die Einwanderung notwendigen und bestandenen  IELTS Test, verstehen wir nicht allzu viel. Von den Nachrichten und sonstigen Fernsehsendungen verstehe ich ueberhaupt nichts und die Leute hier sprechen so schnell und mit starkem Akzent, dass meine Gerhinzellen einfach nicht schnell und flexible genug sind.  Wenn ich ueber die ersten drei Woerter nachdenke, sind die Sprecher schon beim vierten Satz. Aber trotzdem geben wir uns Muehe und lernen jeden Tag neue Woerter und „Redewendungen“.  Gestern habe ich gelernt, dass „Power Steer“ kein wildgewordener Bulle, sondern die Servolenkung im Auto ist. Ich nehme an, in 20 bis 30 Jahren kann ich mich mal wieder richtig unterhalten.

Leider kann ich noch immer keine e-mails schreiben, da  wir zwar endlich  ein Modem, aber keine passende Software haben, die Software ist  auf einer CD, aber unser Computer hat kein CD-Laufwerk und somit begnuegen wir uns weiterhin mit dem mysterioesen Faxgeraet, das gleichzeitig auch noch ein Telefon, ein Anrufbeantworter, eine Registrierkasse, ein Dampfbuegeleisen und elektrische Zahnbuerste ist. Falls mir jemand ein Fax schicken will, meldet sich vermutlich erst der Anrufbeantworter mit der Nachricht, dass er noch zwei Gebisse reinigen, 37 Hemden buegeln und die Umsatzsteuererklaerung  machen muss, bevor er ein Fax entgegennehmen kann! Das schlimmste ist allerdings, dass ich offensichtlich keinerlei Einfluss darauf habe, in welcher Reihenfolge die Arbeiten ausgefuehrt werden und somit gibt dieses Hoellengeraet alle 5 Minuten eine neue Kombination von Klingel- und Buschtrommelgeraeuschen von sich, von denen ich nicht weiss, was sie bedeuten, geschweige denn, wie man sie abstellt.

Gestern morgen habe ich mich sogar aufgerafft, meine neuen Turnschuhe zu testen und bin um 7.30 Uhr morgens zum Strand gelaufen, der nur 2 Minuten von unserem Haus entfernt ist. Es war wunderschoen, warm, einsam, die frische Luft tat gut und trotzdem bin ich nicht weit gekommen, da meine Kondition eher die einer alten Suppenkelle entspricht anstatt der einer  enthusiastischen Pionier-Frau bei der Entdeckung neuer Kontinente.  Hier gbit es so viele tolle, einsame Buchten und Straende. Das ist so romantisch. Wenn man jetzt jung , schoen, reich, begehrt und frisch verliebt waere…. Mein letzter Strandspaziergang mit meinem fast vier Monate alten Sohn Henry war allerdings nicht so romantisch, weil er von Anfang bis Ende fuerchterlich geschrien hat. Zum Glueck war ausser uns niemand am Strand. Kaum waren wir wieder zu Hause, hat er gelacht.  Das hat er sicherlich von seinem Vater, denn wenn Bernd etwas nicht passt, oder irgendwo sind zu viele Bazillen und Bakterien, dann will er auch sofort nach Hause!

Gesternabend gab Henry  alle moeglichen Laute von sich, nachdem Bernd und ich eine ganze Stunde Clown gespielt haben, um ihn bei Laune zu halten. Er hat gesabbert, gebrabbelt, gespuckt, geniesst, gegurgelt,  gelacht und dann hat er zum kroenenden Abschluss noch feierlich in die Hose gemacht. Henry ist auch fasziniert vom Fernsehen und er scheint der einzige im Haus zu sein, der etwas zu verstehen scheint. Jedenfalls amuesiert ihn das und letztlich sieht er ja auch mal ein paar andere Gesichter, ausser die von Mama und Papa.  Jetzt hat er schon wieder Verstopfung und produziert kleine Baellchen, mit denen man Tischtennis spielen oder mit der Schleuder auf Spatzen schiessen koennte. Apropos Spatzen:  In unserer Dachrinne nistet ein Vogelpaerchen und hat Junge. Sie sehen aus wie Spatzen, schwarz mit einem gelben Schnabel. Jedes Mal, wenn Bernd draussen auf der Terasse eine Zigarette raucht, sitzen die Vogeleltern auf der Fernsehantenne und schreien wie am Spiess. Unsere Terrasse liegt offensichtlich genau in deren Einflugschneise und die Vogelkacke bildet ein pfeilartiges Muster auf den Holzplanken. Vermutlich muessen wir warten bis deren Junge aus dem Nest geflogen sind, damit wir uns auf die Terrasse setzen koennen, ansonsten landen deren Verdauungsresultate auf unseren Koepfen oder auf den Grillwuerstchen oder die schwarzen Biester lassen frisch gefangene Wuermer in meinen Ausschnitt fallen.

Bernd ist jetzt stolzer Besitzer von einem alten Nissan „Station Wagon“, was in Deutschland ein alter „Kombi“ ist und dann hat er den ganzen Tag im prallen Sonnenschein damit verbracht, ihn zu putzen. Er hat in von oben bis unten , hinten bis vorne, innen und aussen geschrubbt (jetzt ist kaum noch weisser Lack drauf…), die Felgen poliert  und die Fensterscheiben gereinigt, bis es so aussah, als waere kein Glas mehr drin. Die Nachbarn haben sich hinter der Gardine koestlich amusiert und  wundern sich sicherlich ueber die merkwuerdigen Sitten und Gebraeuche unserer Heimat.  Hier ist ein Auto offensichtlich nur zum Fahren da, solange bis es auseinander faellt.  Habe ausser Bernd noch niemanden gesehen, der sein Auto putzt.  Vielleicht ist es ja oeffentlich verboten, und wir haben keine Ahnung und Bernd landet bein naechsten Mal im Gefaengnis oder wird wieder ausgewiesen oder zur Zwangsarbeit im Steinbruch verurteilt oder ihm wird oeffentlich eine Hand abgehackt…

Henry versucht nun immer alleine zu sitzen, aber noch faellt er immer um und dann strengt er sich ganz wild an, wieder alleine hochzukommen. Wenn ich ihm helfe, sitzt er da wie ein kleiner Buddha, schaut sich alles um ihn herum genau an (muss eine ganz andere Weltanschauung  sein als im Liegen) und grinst wie ein Honigkuchenpferdplattfussindianerhaeuptlingssohn mit Stinkfuessen, ohne Haare und ohne Zaehne.  Wenn wir zu Abend essen, liegt er im Kinderwagen neben dem Tisch  und laesst seinen Windproblemen freien Lauf . Wenn er gerade eine neue Windel an hat, macht er schnell hinein, um sein Revier zu markieren. Lieder  kommt bei diesen Neuseelaendischen Windel-Nappies alles wieder hinten am Ruecken raus. Vielleicht ist es auch Henrys ausgefeilte Bewaesserungstechnik, die unseren Verbrauch an un-oekologischen und un-wirtschaftlichen Verbrauchsmaterialien extrem steigert. Es geht doch nichts ueber die guten luft-,gas- und wasserdichten deutschen Windeln vom Aldi!

Fortsetzung folgt…

(c) Beate Minderjahn